Vernissage: 22.04.2022, 18:00 Uhr in der Galerie Cavissamba (Haseldorfer Chaussee 45, 25489 Haselau)
Ausstellungsdauer: 22.04.2022 – 15.05.2022
Die Öffnungszeiten sind Freitag – Sonntag von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr
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Zunächst kurz zu meinen Arbeiten und Vorgehen. In Kürze würde ich das als „Situative Kreativität“ bezeichnen. Dinge, Wörter, Geschichten, Bilder, alle Materialien usw. die mir wo auch immer begegnen, mich ansprechen, in neue Kontexte zu bringen. Vor allem die Verbindung von Eisen, Stahl, gleich in welcher Form mit Holz, das Einwirken deutlich werden lassen. So kommen Stahl und Holz, Objekte zusammen. Auf diesem Wege, nicht Zusammengehörendes zusammenzubringen, eine Beziehung herzustellen, Irritationen, Inspirationen und Transferprozesse zu ermöglichen: Das Unsichtbare sichtbar machen – und das ist für jede/n Betrachter*in anders. Gesellschaftliche Bezüge standen manchmal im Vordergrund oder geben die Inspiration. Nicht gleich deutlich. Wir machen unsere Geschichten aus den Objekten, Bildern – wir tauchen sie in unsere Erinnerungen ein, verknüpfen Erfahrenes und generieren uns eine Botschaft – auch wenn der/die Kulturschaffende etwas anderes damit ausdrücken wollte. So what.
Zu den Objekten
Drahtschleife I, II
Titel: Im Gespräch: Die beiden Drahtschleifen fand ich auf einer Baustelle. Sie lagen direkt nebeneinander und befanden sich offensichtlich schon in einem Austausch. Die Drähte haben wohl Stahlstangen zusammengehalten, die für Stahlbetonarbeiten benötigt wurden. Ein Bauarbeiter hatte diesen schweren Draht mit einem starken Seitenschneider durchgeschnitten, und dann weggeworfen. Beide Drähte haben mich gleich an zwei Disputierende erinnert und die Biegungen sprachen mich an. Nun auf den schmalen Holzsockeln laden sie ein zum Dialog.
Holzgabel
Titel: Besinnt euch
Der Zedern-Holzblock stammt von einer, durch Sturm beschädigten dicken Zeder. Die Forke vom Acker. Die schwere Eisenforke war mir im Wege, so legte ich sie intuitiv auf dem Holzblock ab. Da war kein langes Überlegen, sprach mich sofort an. Jetzt so verändert sich die Schwere in ruhende Leichtigkeit mit einer Botschaft, etwa besinnt euch, haltet inne. Doch die Geschichte ging dann noch weiter:
Drahtwolke
Titel: Alles hängt miteinander zusammen
Dieses rostige Drahtknäul habe ich so auf der Großbaustellen Pinneberger Bahnhof gefunden. Es lag am Eingang des späteren neuen Eingangs Quellental zum Bahnhof. Damals gossen die Bauarbeiter gerade die Betonwände und -treppen und erstellten dafür die Stahlbetonformen. Die Drähte, noch versehen mit dem Lieferanten wurden dazu benutzt, die schweren Stahlstanden zusammenzubinden“. Die Restdrähte flogen immer nach Abschluss über den Rücken der Drahtflechter und Schweißer. Mal räumten die schweren Schuhe den wachsenden Haufen zur Seite, mal wurde alles zusammengedrückt. So nahm ich den dann mit, stabilisierte alle Drähte miteinander und fand …. Passend: Die Forke auf dem Zedernklotz, nun aufgespießt. Wir brauchen gelegentlich starke Halter für unsere vielen, komplexen Gedanken, von hier nach da, ach ja und das. Alle drei, der Block, die Forke, die Drahtwolke brauchen sich, bilden nun ein Ganzes.
Stahlsplitter im Holz
Titel: Splitter der Erinnerung
Diese Skulptur habe ich in eine Veranstaltung im November 21 in der Drostei/Pinneberg eingebracht. Der Titel war Trauma und Chancen der Nachkriegsgeneration. Ich bin Januar 1945 in Rerik an der Ostsee geboren, also noch kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges und habe dann fünf Jahre dort gelebt. Folgend ein Textauszug aus meinem dazugehörigen Beitrag:
Erst später als Jugendlicher, regten mich Fotos aus Familienalben, der Vater in Soldatenuniform, die Mutter „Bund deutscher Mädchen gekleidet, heimlich gelesene Postkarten und Briefe von der Front oder Sätze von in der Großfamilie nicht wohlgelittenen Verwandten an, den Ahnungen nachzugehen. Die Soldatenfotos warfen Fragen auf. Ich suchte nach Antworten mit meinem Freund*innen, die ebenso über diese seltsamen Geschichten der Eltern und Verwandten irritiert waren. Da passte vieles nicht zusammen. … Dann in alternativ/politischen Bewegungen wurden die Verstrickungen der Eltern in den alltäglichen Nationalsozialismus offenbar. Konturen erkennbar, das unsichtbar gehaltene, wurde sichtbar:
der Holocaust, die Verfolgung und Ermordung von Menschen, die aus politischen, kulturellen, religiösen Gründen nicht in das nationalsozialistische Menschenbild passten, „unwert waren“ zu leben oder dem Rassendenken im Wege standen und dieses Entsetzliche: wir haben das alles doch nicht gewusst.
Meine Skulptur ist Ausdruck dieser Erfahrungen.
Den Eisensplitter habe ich in der frühen Umbauphase am Pinneberger Bahnhof gefunden. Als noch die Stahlträger in den morastigen Grund getrieben wurden, die Bauholzformen für die späteren Betontreppen zusammengepresst wurden. Der Eisensplitter ist ein Rest eines langen schweren Stahlrohres, herausgeschnitten mit der großen Hitze eines Schweißgerätes. Diese doch anmutig spitz zulaufende Form aus sehr schwerem, kreisrund gebogenem Material, die rostige Farbe hat mich sofort beeindruckt. Die darin gefangene Kraft der Biegung, die Stärke, Gewicht und Farbe weckte gleich viele Ideen und Assoziationen – auch an Krieg, Gewalt, Macht.
Das Holz Der fast menschliche Holz-Oberkörper viel mir sofort in einem Baumstämme-Haufen auf; Ablageplatz eines großen Pinneberger Baumunternehmens. Auch hier beeindruckten mich die Stabilität, die Farbe und vor allem die Form. Zwei Lungenflügel, eine Brust, aus denen die Schultern herausragen. Der Halsausschnitt lässt sich visuell ergänzen. Das Holz ist hart und fest, abgearbeitet. Spuren der Kettensäge ist zu sehen, Einbrüche, Risse, Verletzungen.
Holzblock mit Nägeln
Titel: Für und wider
Dieses Werk stammt von meinem Sohn. Ich habe es lediglich über die Jahre aufgehoben um diesen Disput unter die Menschen zu bringen. Diese „Nägelordnung“ hat mich sofort fasziniert und zugleich inspiriert: Eine oder zwei Gruppen von Menschen disputieren, unterschiedlich nahe zusammen, einige schon fast am Gehen. Irgendwo an irgendeinem Bahnhof, oder im Park. Hier die kompakt stehende Menschenansammlung, dort die Weite des Platzes. Es scheint ein „einfaches“ Objekt zu sein. Jedes Kind nagelt mal, klar. Doch hier gibt es offensichtlich eine Idee. Die Nägel stehen meist ziemlich genau nebeneinander, die Abstände und Ausrichtungen laden ein zur weiteren Analyse. Wo mag das wohl sein?
Kolibri mit Muschel
Titel: Warten auf das Rendezvous
Inspiriert hat mich dieser aufziehbare Kolibri, zwar aus Blech, doch auch so klein und zart. Er/sie? wartet auf das Rendezvous. Doch scheinbar verspätet sich die ersehnte Person. Also wippen und warten. Oder ist sie doch schon da? Verborgen, heimlich beobachtend am Strand. Oder sind da sogar noch weitere Interessierte gekommen? Eine kleine Phantasiegeschichte.
Steine auf Holzblock
Titel: Schwere Reihung
Steine wie Holz habe ich am Wasser gefunden. Die Steine sprachen mich durch ihre Form an, runde kleine Hügel mit glattem Boden. Ich spielte damit am Strand, stellte sie im Sand auf, schob sie hin und hier. An der Ostsee, am Strand meines Geburtsortes, der unweit von der Wohnung lag, gab so einen ähnlichen Stein, riesengroß, schwer, schwarz. Es war der „Elefantenstein“. In der Sommerhitze suchten wir dort Schatten, oder, mit Hilfe, kletterten wir oben auf und beobachteten das gefährliche Meer. Er stakste dort im Sand, und kein Seesturm konnten ihn verschieben. Ruhig und entschieden verharrte er an seinem Platz und wartete wohl auf uns. Ja und viel später in den Ferien mit meiner Familie fand ich an der Ostsee, diese Steine und das Holz, wie es so kommt auch. Dann war klar, Formen in eine Struktur bringen, die ruhen kann, auf dem Holz. Fünf Steine – eine Familie.
Holzspirale
Titel: Die Zeit versteckt im Spiralblock
Dieser dicke schwere Eichenholzblock hat mich herausgefordert, einerseits im Ganzen ein Kotz, doch im genaueren Hinsehen gab es da feine Spuren, Tönungen, kleine Risse, Spuren der Kettensäge. Einst Teil einer doch alten Eiche. Ihre Geschichte? Mich haben die feinen Spuren inspiriert, wollte ihnen näherkommen, ohne den Block als solchen zu zerstören. Die „Spuren-Suche“ führte mich dann zu der Idee einer Spirale. Sie sollte zart sein und zugleich den Block in Gänze einbeziehen. Mit der Kettensäge kamen die Einschnitte, die sich auch noch durch die Feuchtigkeit verbogen haben. Nach und nach kam das Innere zum Vorschein, und – nach den groben Schnitten, viel feines Arbeiten, schleifen, den Maserungen folgen, eine Melodie zum klingen bringen, ein Rauschen in den Fächern hören, die Zeit hat sich versteckt, da im Spiralblock.
Holz Indianer
Titel: Spurensuche
Eine große Eiche wird gefällt, schweres Holz bricht auseinander, die Kettensägen laufen heiß, der Baum stürzt, zersplittert. Das harte, spröde Eichenholz ergibt sich. So wird es zu diesem Holzbruch gekommen sein. Gefunden auf einem regelmäßig besuchten, großen Holzlagerplatz eines Baum“Doktors“. Hell strahlte seine Fläche aus dem Holzstapel und machte so auf sich aufmerksam. Einerseits schwer, und doch auch sanft, beim genauen schauen. Die Spuren der Kettensäge sind deutlich zu sehen, da ein Bruch, der besondere Strukturen deutlich macht. Worum auch immer war es der Blick ins weite Land: Rote Felsen, getrocknete Wasserläufe, Steppe und Höhlen. Ich arbeitete die Brüche heraus und ging den Rissen nach, die durch Schleifen immer sanfter wurden. Nach und nach kam die abwechslungsreiche Landschaft zum Vorschein, die Schönheit des Baumes, auch nur indirekt zu sehen, Geschichten vielen mir ein. Ein solch wuchtiges Teil braucht einen festen stabilen Halt, der Ausdruck verleiht und die Pracht deutlich macht. Klar war, dass diese Landschaft einen stählernen Ruhepunkt brauchte. Ebenso schwerer Stahl – beides unterstützt die Sinne.
Eisensplitter mit Forke
Titel: Irritationen
Was wäre eigentlich, wenn … häufig regen mich Formen von nicht zusammenhängenden, oder zufällig herumliegenden Materialien an. Die werfen auch Fragen auf: Kann eine Forke, gedacht zum Erde umgraben, Kohle scheppen einen Stahlsplitter aufnehmen. Das ist jedoch schon zu konkret, sondern eher wie kann ich einen solchen schweren Stahlsplitter in einen irritierenden Zusammenhang bringen? Wie kann ich damit was machen, was eigentlich nicht möglich ist? Und so kamen Forke und Stahlsplitter zusammen, unterschiedlich in der Form, der Struktur. Da prallen Gegensätze aufeinander, scheinbar unüberwindbar. Eine Lösung nicht in Sicht. Möglich wäre es jedoch. Verhandeln, Vereinbarungen treffen, etwas von sich zugunsten eines Gemeinsamen loslassen, jedoch neues finden. So kommt etwas zusammen. Und da entsteht etwas Neues.